Ihr liebes Mutterschwein

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Kuschelchoreografie: Peter Trabner, Martin Clausen und Rahel Savoldelli © Dorothea Tuch

Gespräch-Kritik: Zwei Bloggerinnen im Facebook-Chat über “Come Together” von Martin Clausen und Kollegen

Louisa: Gestern Abend haben wir Come Together gesehen. Was war da los? Verrückte Aktion, oder? Martin Clausen und Kollegen waren gut drauf!

Merve: Aber hallo! Für das Festival war die Art von Aufführung eine kleine Abwechslung, würde ich sagen. Das Publikum hat wirklich durchgehend gelacht und die Darsteller konnten sich ab und zu auch nicht zusammenreißen. Sehr sympathisch!

Es hat schon witzig angefangen, als alle sechs mit denselben Outfits auf die Bühne kamen.

Louisa: Ja, ich fand es auch erfrischend ehrlich gesagt, war irgendwie leichtere Kost. Stimmt, mit diesen ollen 80er-Jahre-Outfits, alle mit grünschwarzen riesigen Pullis, Blue Jeans und weißen Sneakers, sehr geil!

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“Meine Angst ist größer als ich” mit Mario Schulte und Rahel Savoldelli, während im Hintergrund Peter Trabner und Martin Clausen eine Choreografie turnen © Dorothea Tuch

Aber bei der Bühne – einfach nur drei rosa Wände, 4. Wand offen und ne Tür, da wusste ich noch nicht so recht, was ich davon halten soll.

Am Anfang hab ich befürchtet dass das ganz schön langweilig wird, aber die karge Bühne hat dem gar nicht geschadet.

Merve: Absolut nicht!! Zuerst hat man die rosa Wände gesehen und dachte sich “Oh Gott”, aber irgendwie hat das dann auch zum Rest gepasst! Es fällt mir schwer eine Interpretation für das Bühnenbild zu finden, aber auch für die Gespräche, die stattgefunden haben oder die witzigen Bewegungen. Also passt das am Ende doch gut zusammen.

Louisa: Ja, stimmt, es war alles ein bisschen verrückt. Aber ich fand, das Oberthema Kommunikation kam eigentlich voll gut raus, allerdings auch wegen des Programmhefts. Aber dass es um die Repräsentation von alltäglichen Kommunikationssituationen ging, war ja relativ schnell klar.

Merve: Die absurden Alltagsgespräche, die von den Darstellern nachgestellt wurden, haben mich total an Stand-Up-Comedy erinnert. Findest Du nicht? Das haben sie auch immer unabhängig voneinander gemacht. Mal hat einer von seinem Chef erzählt, mal ein anderer von seinem Opernbesuch, wo er die Bundeskanzlerin traf, mal meinte einer: “Wenn ich morgens kacken will, dann brauch ich morgens Kaffee.” 😀 😀

Und immer mit dem Blick zum Publikum gerichtet.

Louisa: Ja stimmt, das trifft es ganz gut, es kam ja auch manchmal schon ziemlich improvisiert rüber. Einmal konnten sie sich ja selbst nicht mehr halten vor Lachen, das war superwitzig.

Merve: Die Szene mit der Fantasie! Das war mein persönliches Highlight! Martin Clausen und Peter Trabner waren das, oder?

Louisa: Ja, genau, da sind die ja total abgegangen und der Trabner hat da inbrünstig rumgeschrien, das war total unterhaltsam und fesselnd. Es kam so rüber, als wäre er voll in seinem Element.

Merve: Es war so genial!! Da wollte er Martin Clausen beibringen, wie man fantasiert und hat pantomimische Bewegungen gemacht, die ihm Clausen nachmachen sollte. Was total witzig war, weil er eher so aussah, als würde er das blödsinnig finden, da er immer wieder das Publikum ansah, den Kopf geschüttelt oder die Augen verdreht hat. 😀

Louisa: Da haben wir’s dann wieder mit der Kommunikation, dabei aber dann eher so, wie es nicht so gut funktioniert.

Aber die Choreografie- und Musik-Einlagen fand ich manchmal ein bisschen sehr strange. Da konnte ich manchmal keinen richtigen Zusammenhang herstellen…

Die Liedtexte standen zwar teilweise auch im Programmheft, aber wo sie da ab und zu zu dritt wie gejagt über die Bühne gelaufen sind minutenlang, ohne Text zu sprechen…

Da hab ich mich ehrlich gefragt: “Was soll das jetzt?”

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Das Team bei einem ihrer Dialog-Aufstellungen: Mario Schulte, Harald Wissler, Rahel Savoldelli, Martin Clausen, Doc Schoko und Peter Trabner © Dorothea Tuch

Merve: Den Zusammenhang habe ich auch nicht verstanden. Aber irgendwie passt es ja dann doch zu der ganzen Aufführung. Die Erzählungen waren auch komplett zusammenhanglos. Es gab keine richtige Handlung, sondern mehrere, die aneinander gereiht und unabhängig voneinander waren. Mal wurde seltsam getanzt, mal gesungen. Und die Texte waren ja auch etwas seltsam 😀 Da wurde gesungen: “Meine Angst ist größer als ich / und täglich lädt sie neue Freunde zu mir ein / doch zum Glück tötet sie mich nicht / denn ich bin ihr liebes Mutterschwein.” – ähm, okay! 😀

Louisa: Ja, stimmt, es war manchmal schon irritierend und verrückt. Aber es lief alles unter dem Oberthema Kommunikation, auf unterschiedlichen Ebenen. Mal durch den Körper ohne Sprache, mal über Musik, mal über Wörter…

Es war auf jeden Fall abwechslungsreich, auch durch den Kostümwechsel, wo dann irgendwann alle gelbe Sachen anhatten. Da kam dann auch das Thema “Kleider machen Leute” auf, was ja auch eine Form der Kommunikation ist, der Beurteilung. Fand ich voll gut, dass die das reingenommen haben. Ich finde nämlich, dass ist gerade in unserer Generation ein sehr aktuelles Thema!

Man muss sich drauf einlassen, auf dieses ganze Kuddelmuddel und dieses freakige mögen, aber dann ist es wirklich ein unterhaltsamer Abend! Und mich persönlich hat es tatsächlich auch zum Nachdenken angeregt… darüber, wie meine Kommunikation mit anderen aussieht und was ich in der Hinsicht eigentlich schon alles so erlebt habe.

Merve: Ja, du hast Recht! Mit denselben Klamotten waren sie eine Gemeinschaft, doch haben sie sich verbal widersprochen. Regt zum Nachdenken an!

Louisa: Stimmt, eigentlich haben sie damit ja Gleichheit vermittelt, die aber gar nicht gegeben war.

Merve: Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass es viele Leute gibt, für die das nichts gewesen wäre. Einige brauchen ein handfestes Thema und das war einfach nur ein lustiges Durcheinander. 😀

Louisa: Ja, genau. Es gab zwar einen roten Faden, was das Überthema angeht, aber es war jetzt keine chronologische Abfolge, eben eine Performance, die sich viel Spielraum genommen hat.

Gut fand ich auch den Satz: “Eigentlich ist er sehr sympathisch… wenn man ihn nicht kennt.”

Merve: Seinen Chef meinte er damit, richtig? Fand ich auch super!! 😀

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Peter Trabner bei einer seiner großartigen Miniaturen © Dieter Hartwig

Viele haben sich wohl auch gefragt, inwiefern die Aufführung in das Grenzenlos Kultur Festival passt und wie es mit dem Inklusionsthema zusammenhängt.

Im Programmheft des Festivals steht die Frage: “Warum wird das Andersartige nicht als Bereicherung empfunden, sondern lässt soziale Widerstände entstehen?” Ich denke, es geht um die Zuteilung von Menschen, die Gruppierung nach Sprach- und Verhaltensmustern oder Klamottenstil. Ich glaube nicht, dass irgendeine Lehre dahinter steckt. Es geht einfach nur um die Darstellung von verschiedenen Typen, die aufeinander prallen.

Louisa: Ja, genau. Ich denke, das hat vielleicht insofern einen Bezug zum Festival, dass Menschen mit Behinderung im Alltag häufig noch Vorurteilen oder Abneigung begegnen.

Merve: Total!

Louisa: Und in dem Zusammenhang dann das Thema Kommunikation im Allgemeinen anzusprechen ist eine gute Idee find ich, wobei das sicher nicht gezielt auf das Thema Inklusion gerichtet ist. Es lässt sich aber auch in die Richtung auslegen.

Merve: Weicht davon ab, geht aber in die Richtung. Genauso undefinierbar, wie die Aufführung selbst. 😀

Ein Gedanke zu „Ihr liebes Mutterschwein

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